Gansu (II)

Wir waren nun ja schon einige Male an/ auf der Great Wall – aber so eine Aussicht wie hier im Titelbild hatten wir bisher noch nicht!
Jiayuguan, die zweite Station unserer Gansu-Reise, ist ein Eisen- und Stahlindustrieort, daher das attraktive Kohlekraftwerk hier im Bild.
Ein Teil der Mauer wurde in den 1980er Jahren rekonstruiert wie man ganz eindeutig erkennen kann. Hier unten sieht man den ursprünglichen Zustand, es wurde nicht mit Ziegeln gearbeitet, die Wälle wurden aus Sand, Schlamm und Erde gemörtelt.

Was das Alter dieses Mauerabschnitts an sich betrifft, ist dieser ungefähr 600 Jahre jünger als der im vorherigen Beitrag. Es handelt sich hier um den westlichsten Abschnitt aus der frühen Ming-Dynastie, und dort war in den Augen des Kaiserhofs gegen Ende des 14. Jahrhunderts das Ende der zivilisierten Welt. Am engsten Punkt des Hexi Korridors wurde daher nicht nur die Mauer, sondern auch eine imposante Festung zur Kontrolle der Außengrenze errichtet.

Auf einer Höhe von etwas 1500 Metern erstreckt sich hier das am vollständigsten erhaltene Militärgebäude der Ming-Zeit auf 33.000 m², mit Innen- und Außenstadt, Graben und 11 Meter hohen, unbezwingbaren Außenwällen – da sieht die Great Wall hier im Bild oben gar nicht mehr so großartig aus dagegen.

Die Nord- und Südseite der Festung sind mit der Mauer verbunden, zwei Tore im Osten und Westen führen durch den äußeren Wall, und selbst die Innere Stadt ist noch ein weiteres Mal mit solch massiven Torpassagen gesichert.
Dieses Tor der Erleuchtung an der Ostseite der Innenstadt zeigt mit der Inschrift auf seinem Turm wie die Anlage hier von Zeitgenossen gesehen wurde – als “Unüberwindlichster Pass unter dem Himmel“.
Das ist der Aufgang zur Inneren Wallanlage, die von insgesamt 14 solcher Türme gekrönt ist:

Zur Entstehung der Festung gibt es eine Legende, die in vielen verschiedenen Variationen nachzulesen ist: Dass dem Bau solch einer Anlage umfangreiche Planungen vorausgingen, kann man sich leicht vorstellen. Angeblich habe der verantwortliche Beamte vom Architekten verlangt, die Anzahl der benötigten Ziegel zu berechnen, worauf dieser geantwortet haben soll, das wären 99.999. Der Staatsdiener soll bezweifelt haben, ob man dies so genau kalkulieren könne und dem Baumeister angeblich eine hohe Strafe angedroht haben, falls seine Berechnungen sich als falsch erweisen würden. Daraufhin habe dieser das Ganze auf 100.000 Ziegel hochkorrigiert. Als am Ende dann genau dieser eine zusätzliche Ziegel übrig geblieben sein soll, habe der Architekt diesen einfach lose an einer bestimmten Stelle platziert, um seiner Bestrafung (manche sagen Todesstrafe) zu entgehen, und erklärt, dieser Stein sei für die Standfestigkeit der Anlage absolut notwendig.
Genauso muss es gewesen sein, die Festung steht noch und… der Ziegel liegt immer noch da!
Aber genau muss man dafür schon hinschauen

Jiayuguan war für uns auch ein Ort weiterer kulinarischer Entdeckungen, ach… die Gansu-Küche ist echt lecker, mit vielen verschiedenen Einflüssen aus der muslimischen Küche, der Nomaden, es gibt viel Lamm (was ich ja nicht mag), aber auch Rind, tolles Gemüse, selbstgemachte Nudeln nicht nur aus Getreide, sondern auch aus Bohnen oder Kartoffeln, bei allem meistens eine gute Schärfe dabei….

Am meisten beeindruckt hat mich in Jiayuguan der Besuch der Wei-Jin-Gräber am Morgen vor der Weiterfahrt nach Zhangye. Etwas außerhalb der Stadt liegen schon beinahe in der Wüste Gobi rund 1.000 (Familien-)Grabstätten aus der Wei- und der Jin-Dynastie, errichtet im 3. bis 5. Jahrhundert.

Anfang der 1970er Jahre hat man 18 dieser Grabanlagen geöffnet, neun davon enthalten spektakuläre Fresken, die auf die Ziegel skizziert worden waren – spektakulär nicht wegen der außerordentlichen Kunstfertigkeit, sondern wegen der Darstellung vieler Alltagsszenen.
Ein Bilderbuch des Lebens von vor mehr als 1500 Jahren sozusagen, das alles zeigt worauf es ankam, vom Schlachten einer Sau bis zum Essen von Shish Kebab, Jagd- und Reiterszenen, Ackerbau, Haushalt, Musik und Unterhaltung…

Eine der Grabanlagen wurde komplett ins Gansu-Museum umgezogen, zwei sind theoretisch für immer nur kleine Besuchergruppen geöffnet, von denen ist derzeit aber nur das Tomb #6 zu besichtigen. Wir waren an diesem Morgen die einzigen!

Man geht dazu in diesem Häuschen einen steilen, senkrechten Gang hinunter in etwa 20 Meter Tiefe und befindet sich dann in einer völlig aus Ziegeln gemauerten Anlage mit Vor- und Hauptkammer und danach der eigentlichen Grabkammer.
Der aufgeschüttete Hügel und das Belüftungsrohr sind übrigens aus der Zeit der Ausgrabungen, die Gräber sind alle flach angelegt.
Verbunden durch niedrige Passagen, durch die man gebückt kriechen muss.
Natürlich auch hier allerstrengstes Foto-Verbot, und da das kleine Museum vor Ort auch noch geschlossen war, kann ich hier nur mit abfotografierten Postkarten und zwei winzigen nachgemachten Souvenirziegeln aufwarten.

Wer dazu noch etwas nachlesen oder nachschauen will, kann das zum Beispiel hier tun.
In YouTube findet man den Kurzbericht eines Besuchers, der im Museum gefilmt hat, da bekommt man eine ungefähre Vorstellung des Ganzen. Aber die Farben sind im Original keineswegs so knallig wie bei den Nachbauten im Museum oder auch auf den kleinen Ziegeln hier oben!
Alle bisherigen Great Wall-Trips findet man übrigens mit dem passendenSchlagwort hier unten im “Kleingedruckten”.