Gansu (I)

Wir haben uns von den Erfahrungen in den Avatar Mountains dann doch nicht lange vom Reisen abschrecken lassen!
Die Gansu Provinz hatten wir vorher schon auf dem Schirm gehabt, ein bisschen Seidenstraße, Weltkulturerbe, einzigartige Landschaftsformen…
Klingt alles verlockend, und so sind wir mit zwei Tage vorher gemachtem Corona-Test und neuen Reise-Apps versehen am Donnerstag, den 23. Juli morgens los.

https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Volksrepublik_China_administrative_Gliederung.svg

Über Xi’an ging es per Flugzeug nach Dunhuang, von da aus mit dem Auto zu den nächsten Stationen Jiayuguan und Zhangye.
Mir ist schon klar, dass keiner weiß, wo das denn alles liegt – ich hatte den Namen “Gansu” vor meiner Zeit in China tatsächlich auch noch nie gehört, also denke ich, da schadet ein bisschen Kartenmaterial gar nichts.

Quellenangabe: Von SY – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=73966895

Dunhuang ist eine fast 2000 Jahre alte Oase an der Seidenstraße, wurde in der Han Dynastie als Grenzfestung und Außenposten des Reiches gegründet, war ein Tor von/ nach Westen und ein wichtiges Handelszentrum.
Die 200.000 Einwohner-Stadt liegt im sogenannten Hexi Corridor inmitten von Wüsten. Zwei Flüsse, die diese 1000 Kilometer lange und nur etwa 100 Kilometer breite Passage durchfließen, sowie das Schmelzwasser von den immer schneebedeckten Gipfeln der Qilian Berge im Süden sorgen dafür, dass in vielen Oasen Ackerbau und Viehzucht möglich ist. Vom Weinanbau über Obstbäume, Gemüse, Getreide, Mais – wir haben viel fruchtbares, weil bewässertes Land gesehen.
Aber auch genauso viel (Halb-)Wüsten und Steppenzonen – und dementsprechend kann man dort vielerorts als Spaßprogramm Kamele reiten. Wollten wir auch!

Martin hatte ein recht bockiges Vieh, das beim Hinlegen sehr gezickt hat, meines war mehr von der Sorte vorauseilender Gehorsam. Eine Stunde die berühmte Ming Sha Shan / Singende Sanddüne hinauf und hinunter war bei der Hitze auch vollends genug, das wird dann doch langsam unbequem und trotz des bewölkten Himmels ganz schön heiß.
Leider hatten wir einen etwas trotteligen Kameltreiber, der es kein einziges Mal geschafft hat, uns so zu fotografieren, dass wir beide mit vollständigen Kamelen (Beine, Kopf etc.) auf einem gemeinsamen Bild drauf sind.

Diese Abenteuer des ersten Nachmittags waren in unmittelbarer Nähe des Hotels, das im Stil einer Karawanserei gebaut ist. Von der Terrasse im dritten Stock hatte man einen schönen Blick auf die Düne, schade, dass das Abendessen dort nicht sehr authentisch war, sondern wohl irgendwie “westlich” sein sollte. Beim zweiten Frühstück vor der Weiterfahrt war auf jeden Fall blitzblauer Himmel.

Der folgende Tag stand ganz im Zeichen von Kunst, Kultur und Geschichte.
Die Mogao Grotten sind nicht nur Weltkulturerbe, sondern einer der drei wichtigsten Komplexe buddhistischer Tempelkunst in China. Wie so vieles kam auch der Buddhismus über die Seidenstraße und hat sich von Dunhuang aus im späteren China verbreitet.

Ihr Ursprung beginnt mit der Vision eines Mönchs, der beim Anblick dieses 25 Kilometer langen Kliffs die Vision von tausend Buddhas hatte, und wie es heißt im Jahr 366 n. Chr. dort die erste Tempelgrotte angelegt haben soll. Von einer Gebetsstätte für einige Einsiedlermönche entwickelte sich die Felsenanlage zu einem großartigen Komplex von 500 Tempeln, die zwischen dem 4. und 14. Jahrhundert hier in den Sandstein gegraben wurden, zum Teil als Auftragsarbeiten wohlhabender Sponsoren.
Einen tollen Überblick über die prächtigsten Höhlentempel aus verschiedenen Dynastien gibt die Vorstellung im 360° Kino, die beim Kauf einen “A Tickets” dabei ist; danach darf man 8 verschiedene dieser Grotten besichtigen.
Fotografieren ist strengstens verboten, uns wurde gesagt, dass sich die Strafe nach Anzahl der fotografierten cm² bemisst. Wir haben es lieber nicht ausprobiert!

Ein Teil dieser Höhlen ist also im Rahmen von Standardtouren zugänglich, die man sich allerdings nicht selbst aussuchen kann, die Guides entscheiden das je nach Besucheraufkommen und versuchen dabei einen Überblick über Kunst der verschiedenen Jahrhunderte mit der Führung zu geben. Die schönsten und am reichsten ausgemalten oder ausgestatteten Höhlen sind lediglich nach Vorbuchung in einer extra zu bezahlenden Sonderführung für etwa 25 Euro/ Person zu besichtigen. Derzeit sind nur drei davon zugänglich – da darf man dann aussuchen. Aufgrund einiger glücklicher Fügungen konnten wir tatsächlich exklusiv nur zu Zweit die im Film gezeigte Grotte #45 besichtigen.

Grotte #45 aus der späten Tang Dynastie, 8. Jahrhundert.
Da das Gestein nicht für Bildhauerei geeignet ist, sind alle Figuren aus Lehm um Kerne aus Holz, Zweigen und Stroh modelliert. Rund 2500 davon sind noch enthalten, darunter in einer Halle eine 35 Meter hohe Buddhastatue aus dem Jahr 695, an der man in einer regelrechten Prozession schnell vorbeigeschleust wird.

Nach einem recht authentischen Mittagessen – Kamel”gulasch”, scharf geröstete lange Bohnen und leicht frittierte Ulmenknospen – ging es nachmittags hinaus zum Yu Men Guan/ Jade Gate Pass.
Das ist eine von nur zwei Grenzstationen im Westen des chinesischen Reiches der Han Dynastie (ungefähr 200 vor bis 220 nach Chr.), sozusagen der letzten Außenposten, den alle auf der Seidenstraße reisenden Karawanen passieren mussten.

Wo die Mauer der Han Dynastie im Wüstensand endet, gibt es noch die Überreste von zwei Forts: Xiao Fang Pan und Da Fang Pan.

Sandstürme und unfassbare Hitze im Sommer, klirrende Kälte im Winter, kein einziger Ort weit und breit – ob eine Entsendung an diesen gottverlassenen Außenposten des Han Reiches etwa 80 Kilometer nördlich von Dunhuang als ein Karrieresprung anzusehen war?!
Man mag es bezweifeln.