Corona Chronik II

Es wird Zeit für ein Update.
Ich habe wieder etliche Fragen bekommen:
Geht ihr wieder arbeiten? Wie ist das mit dem Einkaufen? Seid ihr viel im Haus?

Knapp 120.000 Menschen sind am Wochenende über die beiden Flughäfen wieder nach Shanghai zurückgekommen, ungefähr 300.000 per Bahn, so konnte man lesen.

In meinem Fall ist es relativ einfach.
Mein Chef, Dr. William hatte erst vor, ab dem 10. Februar die Kliniken wieder zu öffnen, letzte Woche hieß es dann, man würde keine Termine mit Patienten vereinbaren, aber die Verwaltung und Schwestern sollten alle in den Kliniken sein, Inventur, Papierkram, Trainings usw. machen, alles für die Wiederöffnung vorbereiten.
Dann kam am Freitag ein Behördenerlass: Zahnartzpraxen müssen “bis auf Weiteres” geschlossen bleiben. Das betrifft nicht nur uns, sondern genauso die zahnärztlichen Abteilungen der Internationalen Krankenhäuser, geht aber noch weiter, die angesehenen TCM Praxen einer Deutschen hier dürfen vorerst auch nicht öffnen, meine Physiotherapiepraxis auch nicht.

Das bedeutet, wir müssen Notfallpatienten an öffentliche Krankenhäuser verweisen, aber von meiner Kollegin habe ich gerade gehört, dass die selbst bei tobendem Wurzelkanal wahrscheinlich auch nur eine Schmerzmittelinfusion geben würden.

Martin geht wieder arbeiten.
Und in seinem Fall ist das nicht relativ einfach.
Sie durften am Freitag bei den Behörden von Qingpu (Vorort im Westen von Shanghai, so groß wie München, da ist Klüber) ihren Antrag auf Wiedereröffnung abgeben, an dem sie tagelang gearbeitet hatten. Dafür musste man einen genauen Plan beschreiben mit Desinfektionen, Temperaturkontrollen, Sicherheitsvorkehrungen, wie man verhindern will, dass zu viele Leute zusammensitzen, eine Liste der Leute, die dafür eingeplant werden sollen, usw. usf.
Das war an sich schon ein Meilenstein, denn nur von ausgewählten Firmen wurde ein solcher Antrag überhaupt erst angenommen zur Überprüfung.

Klüber war am 21. Januar noch zu einem speziellen Empfang beim Industriepark eingeladen worden zur Ehrung der 50 besten Steuerzahler Qingpus, und wahrscheinlich ist es auch hilfreich, dass Martin und Richard sich bei solchen Veranstaltungen blicken lassen und mit Parteigranden und Bürgermeisterin ein gutes Verhältnis pflegen.

Zwei, die ihr Bestes für die Firma geben: Richard, Martin und links im Bild ein Herr von der Partei, der sehr erfreut über das hier dokumentierte gemeinsame Rauchen und Schnapstrinken zu sein scheint.

Für Samstag hatte Martin schon ein weiteres Treffen zur Vorbereitung des eventuellen “Ernstfalls” in der Firma mit einigen Abteilungsleitern – seinen allertreuesten Mitstreitern – anberaumt und am Sonntagmittag kam tatsächlich das OK der Behörden: man dürfe am Montag öffnen.

Da das von der Servicefirma bereitgestellte Desinfektionsmittel nicht das beste gegen Coronaviren ist, hat Martin am Samstag etwas Eigenes gemixt.

Man kann sich so etwas in Deutschland ja gar nicht vorstellen – all diese Leute, die den ganzen Samstag, den ganzen Sonntag wie selbstverständlich arbeiten, ständig zur Verfügung für Besprechungen per Chat sind, sich auch abends noch um Organisatorisches kümmern… Allein mit dem mauen Internet in Deutschland wäre das schon schwierig, geschweige denn von der Einstellung zur “Work-Life-Balance”…

Martin am Samstag beim Versuchs-Putzen von Richards Schreibtisch: Er nennt das Bild “Die höchstbezahlte ayi Chinas”

Gestern haben sie dann mit einem kleinen Kontingent von etwa 40 Leuten gestartet, und natürlich läuft da noch nichts rund, das geht schon los bei der Ankunft und Messung mit den (höchst ungenauen) Fieberpistolen, bei der ein Fahrer im völlig überheizten Auto gleich mit 38 Grad gemessen wurde und sich daraufhin erst einmal abkühlen musste zur nochmaligen Messung.
Wie es heute so lief, weiß ich noch nicht im Detail.

Ja, und was tue ich in der Zeit, in der Martin & Co. versuchen die Firma wieder flottzukriegen?
Ich bin tatsächlich die ganze Zeit zuhause, gehe höchstens mal vor zum großen Tor an der Straße um eine Lieferung abzuholen:

Das funktioniert auch nur in China so perfekt, selbst in Krisenzeiten: Onlineeinkauf und Lieferung am selben Tag.

Die ayi kann derzeit aus ihrer Provinz gar nicht raus, das hatte ich schon fast vermutet.
Das löst momentan ein Problem – ich muss niemand “Fremden” in mein Haus lassen, dessen Hintergründe ich nicht so genau kenne.
Schafft aber auch ein anderes – ich muss alles selbst machen.
Neben ein bisschen Home Office für die Firma beschäftige ich mich also die meiste Zeit über mit Kochenputzenwaschenbügelnabspülen.
Und wenn ich damit fertig bin, fange ich wieder von vorne an.
Etwas Chinesisch wiederholen, jeden Tag aufs “Trimmrad”, Essenspläne machen und online einkaufen – das sind so meine anderen Tätigkeiten.

Bei epermarket, dem Lieblingshändler aller Expats, kaufe ich neuerdings tatsächlich auch ein, das habe ich in all den Jahren nie getan.
Muss sagen, dass sie zuverlässig gute Qualität liefern und das Ganze nicht in einer wahren Verpackungsorgie aus Plastik ankommt, sondern in Papier, Karton und kompostierbaren Tüten. Kostet natürlich mehr als auf dem Markt; besondere Zeiten erfordern eben besondere Maßnahmen.

Jetzt muss ich aber echt in die Küche, höchste Zeit das Abendessen vorzubereiten! Wir gehen ja nirgendwo mehr hin derzeit.